Logo der Apotheken Umschau

Wie wäre es, das eigene Altern etwas abzubremsen, wenigstens in der Haut? Es ist auch nicht aufwendig: Man braucht nur ein- bis zweimal am Tag eine bestimmte Creme aufzutragen. Ein solches Angebot klingt wie eines dieser Werbeversprechen, die im Internet und im Zusammenhang mit Kosmetikprodukten so häufig zu finden sind. Und die sich bei genauerer Betrachtung meist als arg aufgeblasene Behauptung oder gar als Lüge herausstellen.

Gilt das auch für Vitamin A in Hautcremes, die von den Herstellern und Influencern in den sozialen Medien massiv beworben werden? Immerhin: Auch Hautärztinnen und Hautärzte empfehlen diese Produkte. Wir haben die Fakten für Sie recherchiert.

Vitamin A ist ein Sammelbegriff für mehrere chemisch ähnliche Substanzen. Konkret geht es um die Substanz Retinol, die in vielen kosmetischen Produkten steckt. „Tatsächlich wirkt Retinol der Haut-Alterung entgegen. Das haben zahlreiche Studien[1] auf ebenso einfache wie überzeugende Weise gezeigt“, sagt Professorin Christiane Bayerl, Direktorin der Klinik für Dermatologie und Allergologie an den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden.

Das Vorgehen bei einer typischen Studie[2] sieht so aus: Ein Hautareal wird mehrere Monate lang mit einer Retinol-haltigen Creme behandelt. Anschließend wird es mit einem ähnlichen Areal verglichen, in das keine Retinol-haltige Creme eingerieben wurde. „Wenn man sich dann die Haut genauer in Gewebeproben oder mit anderen Messmethoden anschaut, weist die mit Retinol-Creme behandelte Haut im Vergleich meist tatsächlich Vorteile auf: Die Kollagenbestandteile sind dichter, die Verzahnung von Ober- und Unterhaut ist weniger abgeflacht. Das sind eindeutige Belege dafür, dass die Alterung der Haut verlangsamt wurde“, sagt Bayerl.

Sehr gut belegt sind die Effekte auf die Kollagenfasern, die die Haut stabil und fest machen. Mit fortschreitendem Alter und auch durch äußere Einflüsse wie vermehrte Sonneneinstrahlung und Rauchen sinkt die Produktion dieser Eiweißfasern. Retinol aber regt in der mittleren Hautschicht, der sogenannten Lederhaut, die Produktion von Kollagen an.

Darüber hinaus reduziert Retinol im Zellverband der Haut die schädlichen Folgen von Sauerstoff. Denn das Gas bewirkt chemische Reaktionen, die auch als oxidativer Stress bezeichnet werden. Dieser beschleunigt unter anderem den Abbau von Kollagen. Retinol wirkt dem noch auf anderen Wegen entgegen: Es inaktiviert zum Beispiel bestimmte Enzyme, sogenannte Matrix-Metalloproteinasen. Und diese tragen ebenfalls zum Abbau von Kollagen bei.

Wer seine Haut jung halten möchte, sollte sich auch unbedingt vor den UV-Strahlen des Sonnenlichts schützen. Das bekräftigt der Hautarzt Dr. Christoph Liebich, Leiter einer Hautarztpraxis in München. „Das bedeutet nicht, dass man drinnen bleiben sollte, wenn draußen im Hochsommer die Sonne scheint. Aber vor dem Rausgehen gründlich Sonnencreme auftragen und sich dann nicht gerade auf den Liegestuhl in die pralle Sonne zu legen, hilft der Haut schon sehr“, sagt Liebich.

Generell gilt: Im Sommer die Mittagssonne zwischen 11 und 15 Uhr meiden. Auch der Schatten bietet dann bei greller Sonne oft nur einen unvollständigen Schutz.

Gut ist es außerdem, seine Haut mit UV-dichter Bekleidung zu schützen. Eine ältere Nonne, die ihre Arme und Beine immer bedeckt gehalten hat, habe im Vergleich zu jemandem, der über Jahrzehnte einmal die Woche ins Sonnenstudio gegangen ist, eine regelrecht babyglatte Haut, sagt Liebich. Aber ganz aufhalten lässt sich das Altern auch bei ihr natürlich nicht. Denn es liegt in unserer Natur, dass auch unsere Haut altert.

Retinol-haltige Cremes können den Prozess des Alterns ein bisschen verlangsamen. Doch sie sind nicht für alle Menschen geeignet. „Bei extrem empfindlicher, trockener Haut und Neurodermitis sollte kein Retinol verwendet werden“, sagt Expertin Bayerl. Auch Schwangere sollten sicherheitshalber auf Kosmetika mit Vitamin A verzichten. Denn zu hohe Mengen dieser Substanz sind fruchtschädigend. Und während der Stillzeit sollte die Mutter diese Produkte meiden, damit ihr Baby kein zusätzliches Retinol aus dieser Quelle schluckt.

Die Produkte können dazu beitragen, dass es zu einer Überdosierung mit Vitamin A kommt, wenn auf andere Art – etwa durch Nahrungsergänzungsmittel – schon außergewöhnlich viel Vitamin A zugeführt wird.

Um dieses Risiko gering zu halten, hat das wissenschaftliche Komitee für Verbrauchersicherheit der Europäischen Kommission im Oktober 2022 dazu Stellung bezogen. Demnach sind Retinol-Konzentrationen von bis zu 0,05 Prozent in Körperlotion und von bis zu 0,3 Prozent in anderen Kosmetikprodukten wie Cremes sicher. Viele Kosmetikprodukte enthalten 0,1 Prozent Retinol. Es gibt sie in Drogerien und in Apotheken. Letztere haben den Vorteil, dass dort eine qualifizierte Beratung stattfindet, die bei der Auswahl eines geeigneten Präparates helfen kann.

Gelangt zu viel Retinol in den Körper, kann das Kopfschmerzen und Übelkeit verursachen. Ist die Aufnahme dauerhaft zu hoch, kann es Lebererkrankungen und eine Schuppung der Haut nach sich ziehen. Kosmetika allein verursachen keine Überdosierung durch Retinol: Nur rund fünf bis acht Prozent der auf die Haut aufgebrachten Substanz dringt in den Körper.

Problematisch kann die zusätzliche Dosis für Menschen werden, die vor allem über Nahrungsergänzungsmittel ohnehin schon sehr viel Vitamin A aufnehmen. Das sind rund fünf Prozent der Menschen in Deutschland, schätzt das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Menschen mit erhöhtem Risiko für Knochenbrüche und Knochenschwund sollten besonders aufpassen, dass insgesamt nicht zu viel Retinol in ihren Körper gelangt. Das betrifft insbesondere Frauen nach ihrer Menopause. Sie zählen zu den wichtigsten Kundinnen für Anti-Aging-Produkte. Auf retinolhaltige Präparate brauchen sie nicht zu verzichten. Doch sie sollten nicht obendrein auch noch Nahrungergänzungsmitteln mit Vitamin A schlucken, außer es gibt einen guten medizinischen Grund.

Für Retinol-Cremes ist es nie zu spät. Aber: „Vor dem 30. Lebensjahr macht das wenig Sinn. Danach gilt bald: Je früher man damit anfängt, desto besser. Zugleich lohnt es sich aber auch mit 70 Jahren noch, Retinol-Cremes aufzutragen“, sagt Expertin Bayerl. Denn auch dann lassen ihre Effekte einen jünger aussehen.

„Meine Empfehlung ist, morgens eine Creme zum Sonnenschutz und abends ein Retinol-Präparat zum Anti-Aging aufzutragen“, sagt Bayerl. „Nach einigen Monaten Anwendung kann man einen Unterschied mit bloßem Auge sehen. Gegen die der Schwerkraft folgenden Falten ist jedoch kein Kraut gewachsen, da hilft nur ein Face-Lift“, sagt Bayerl.


Quellen:

  • [1] Quan T.: Human Skin Aging and the Anti-Aging Properties of Retinol. In: Biomolecules: 04.11.2023, https://doi.org/...
  • [2] Randhawa M, Rossetti D, Leyden JJ et al.: One-year topical stabilized retinol treatment improves photodamaged skin in a double-blind, vehicle-controlled trial. J Drugs Dermatol.: https://jddonline.com/... (Abgerufen am 06.05.2024)