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Die Abkürzung TENS steht für transkutane elektrische Nervenstimulation, also Strom-Impulse, die über Elektroden unter die Haut geschickt werden. Das Verfahren wird oft zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt – so auch für Polyneuropathien, zum Beispiel bei Menschen mit Diabetes.

„TENS kann etwa dann versucht werden, wenn Medikamente oder andere etablierte Methoden nicht ausreichen bei Polyneuropathien und anderen chronischen Schmerzen“, erklärt Prof. Dr. Christina Haubrich, niedergelassene Neurologin aus Düsseldorf.

Wie wirkt TENS gegen Schmerzen?

Die Wirkung der elektrischen Signale wird teils mit der sogenannten Gate-Control-Theorie erklärt: Die Impulse stimulieren Nervenfasern, die eigentlich Berührungsreize weiterleiten und im Rückenmark mit den Schmerzfasern verschaltet sind. „Das Signal der Berührungsnerven kann so die Weiterleitung der Schmerzen an das Gehirn hemmen“, erläutert Schmerzmedizinerin und Neurochirurgin Dr. Kristin Kieselbach, die das Interdisziplinäre Schmerzzentrum des Universitätsklinikums Freiburg leitet. Eine andere Theorie geht davon aus, dass der Strom die körpereigene Schmerzhemmung im Rückenmark aktiviert und die Ausschüttung schmerzlindernder Botenstoffe anregt.

Polyneuropathie

Für die Erkrankung gibt es viele mögliche Ursachen, etwa ­Diabetes, Alkoholmissbrauch, Vitamin-B12-Mangel sowie bestimmte Arzneien, darunter eine Chemotherapie bei Krebs.

Wie verträglich ist die Behandlung mit TENS?

Beide Expertinnen haben mit der Anwendung gute Erfahrungen gemacht. „Die Pa­tienten setzen TENS regelmäßig für etwa 15 bis 20 Minuten am Tag ein und berichten uns von deutlichen Verbesserungen“, sagt Haubrich. Möglich sei zudem, die handlichen Geräte am Körper zu tragen und immer dann anzuschalten, wenn der Schmerz stärker wird, ergänzt Kieselbach. Sie sieht darin auch einen großen psychologischen Vorteil: „Patienten mit chronischen Schmerzen fühlen sich ihrem Schmerz oft hilflos ausgeliefert. Die TENS-Therapie kann selbstwirksam eingesetzt werden und ermöglicht es, eine gewisse Kontrolle zurückzuerlangen.“

Dazu kommt: Das Verfahren hat kaum Nebenwirkungen. In seltenen Fällen kann es zum Beispiel zu Hautreizungen an der Klebstelle kommen. Bei sensibler Haut können antiallergene Elektroden die Reizungen lindern. Und die Kosten für die Geräte werden bei chronischen Schmerzen von den Krankenkassen übernommen – allerdings zu unterschiedlichen Bedingungen. Vorher bei der Kasse informieren!

Ist die Wirksamkeit von TENS bewiesen?

Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung der TENS-Behandlung bisher nicht. Es gibt vorwiegend kleinere Untersuchungen, die eine Schmerzlinderung feststellen, aber nur bedingt aussagekräftig sind. Regelmäßig gab es zudem Versuche, über sogenannte Meta-Analysen viele kleinere Studien gemeinsam zu betrachten – mit gemischten Ergebnissen.

Immerhin: Eine besonders große Meta-Analyse von 2022 mit insgesamt 381 randomisierten, kontrollierten Studien legt eine Wirksamkeit nahe. Die Forscherinnen und Forscher kamen zu dem Schluss: TENS lindert Schmerzen vermutlich besser als ein Placebo. Auch im Vergleich zu anderen medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapien ergab das Verfahren einen Nutzen. Allerdings bemängelten Fachleute die Qualität der zugrunde liegenden Studien.

Kristin Kieselbach kann sich durchaus vorstellen, dass ein Teil der TENS-Wirkung auf dem Placeboeffekt beruht – also dass die Schmerzen sich nur deshalb bessern, weil die Betroffenen genau darauf hoffen. „Aber was wäre daran schlimm? Solange sich die Patienten besser fühlen, nehme ich doch gerne auch den Placeboeffekt mit.“

Kann sich jeder mit TENS behandeln lassen?

Von einer TENS-­Behandlung abraten würde Christina Haubrich Menschen mit einem Herzschrittmacher oder einer Epilepsie. „In Deutschland ist sie auch für Schwangere nicht empfohlen“, so die Neurologin. „Im englischsprachigen Raum wird TENS allerdings teilweise eingesetzt, um Geburtsschmerzen zu lindern.“

Fazit: Als Begleittherapie bei chronischen Schmerzen geeignet

Insgesamt sind beide Expertinnen überzeugt: Wer an chronischen Schmerzen wie Polyneuropathien leidet, kann TENS als Begleitbehandlung ausprobieren. „Finden Sie heraus, was ihnen guttut“, so der Rat. Als vollständigen Ersatz für Schmerztherapien, deren Nutzen wissenschaftlich belegt ist, sollten die Geräte aber nicht gesehen werden.

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Quellen:

  • Cichocki M, Sönnichsen A: Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) zur Behandlung neuropathischer Schmerzen. In: Zeitschrift für Allgemeinmedizin: 01.11.2019, https://doi.org/...
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  • Gibson W, Wand BM, O'Connell NE: Transcutaneous electrical nerve stimulation (TENS) for neuropathic pain in adults. In: Cochrane Database of Systematic Reviews: 14.09.2017, https://doi.org/...
  • Gibson W, Wand BM, Meads C et al. : Transcutaneous electrical nerve stimulation (TENS) for chronic pain ‐ an overview of Cochrane Reviews. In: Cochrane Database of Systematic Reviews: 03.04.2019, https://doi.org/...
  • Johnson MI, Paley CA, Jones G, et al: Efficacy and safety of transcutaneous electrical nerve stimulation (TENS) for acute and chronic pain in adults: a systematic review and meta-analysis of 381 studies (the meta-TENS study). In: BMJ Open: 10.02.2022, https://doi.org/...
  • Teoli D, An J. Transcutaneous Electrical Nerve Stimulation. [Updated 2023 Jan 22]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 Jan-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK537188/